Was glauben juden?

2 Antworten

Wer heute verstehen will, an was Juden glauben, kommt um den Talmud nicht herum.

Es wäre sehr schön und verbindend, wenn der Tanach, die jüdische Bibel, das eigentlich prägende Element des jüdischen Glaubens wäre. Denn der Tanach ist im Wesentlichen das Alte Testament der Christen und die Basis für sowohl den jüdischen als auch den christlichen Glauben.

Zuerst zum Tanach: Es ist sehr interessant, sich damit zu beschäftigen, wie jüdische Rabbiner (jüdische schriftgelehrte Lehrer) und wie Christen einige Textstellen des Tanach (AT) auslegen. Hier gibt es tatsächlich viele Gemeinsamkeiten: dem erwarteten "Gesalbten" (König) = Messias (griechisch latainisiert: Christus), der Richter sein wird und in Ewigkeit die Regentschaft von Gottes Reich übernehmen wird, werden in beiden Religionen (jüdisch-rabbinisch UND christlich) die gleichen Attribute zugeschrieben. Eines der wesentlichsten Merkmale: Göttlichkeit (eine dem Messias zugeschriebene Eigenschaft, die im Übrigen geeignet ist, den Islam in Gänze zu widerlegen).

Der Unterschied besteht darin, dass Christen glauben, Jesus ist der Messias und bereits zum ersten mal in diese Welt gekommen, um einen großen Teil der Prophezeiungen aus dem Tanach/AT zu erfüllen. Und Jesus wird wiederkehren, um alle dem Messias zugeschriebenen ausstehenden Prophezeiungen zu erfüllen - so die Erwartung der Christen.

Juden, besser gesagt jüdisch Glaubende (denn es gibt auch Juden, die nicht jüdisch glauben), erkennen Jesus nicht an als den vorhergesagten Messias, weil er vor ca. 2000 Jahren nicht alle Prophezeiungen des Tanach (AT) bereits erfüllt hat.

Diese Ablehnung Jesus' durch sein Volk, wie sie auch schon im Neuen Testament nachzulesen ist, ist wiederum bereits im jüdischen Tanach/AT vorhergesagt worden (Jesaja 53, Psalm 22, ...) - für Christen ein weiteres Kriterium anzunehmen, dass Jesus der Messias/Christus ist.

Jüdisch Glaubende warten noch auf den Messias, der in der Zukunft kommen wird, um alle Prophezeiungen des Tanach (AT) zu erfüllen. Eine sachliche Kritik an dieser religiösen Erwartung ist, dass man bei einem heute oder in der Zukunft erwarteten Messias nicht mehr alle Attribute des Messias überprüfen könnte: die Abstammung von König David z.B.: Mit der Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem um 70 nach Christus wurden auch alle Stammbücher bzw. Abstammungsaufzeichnungen der Juden vernichtet. Um so wichtiger sind die in den Evangelien aufgeführten Genealogien Jesu mütterlicher- und (stief-)väterlicherseits.

Des Weiteren verstehen Christen die Prophezeiungen des Propheten Daniel so, dass die Menschwerdung des Messias vor der Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem um 70 n. Chr. hätte erfolgen müssen. Doch dieses Rechenmodell lehnen jüdische Rabbiner ab. Des Weiteren ist das Buch Daniel im Judentum nicht Gegenstand der Lehre, wird quasi unter Verschluss gehalten.

Nun, jeder darf sich selbst eine Meinung zu den Prophezeiungen im Tanach/AT und ihren Erfüllungen/Nichterfüllungen im NT machen.

Zum Talmud:

Mein begrenztes Wissen zum Talmud: Er entstand nicht früher als das Neue Testament der Christen. Man darf den Talmud verstehen, als den Versuch, der Lehre der Judenchristen - denn das waren die ersten Christen: alle samt Juden - die jüdische GlaubensTRADITION, die Lehre der Schriftgelehrten, das sogenannte "mündlich" übermittelte Gesetz entgegenzusetzen. Am Talmud wurde noch Jahrhunderte nach Christus geschrieben. Im Versuch der Abgrenzung vom christlichen Glauben griff man tief in die Verleumdungskiste. Meiner festen, aber unmaßgeblichen Überzeugung nach, hat man mit der üblen Nachrede gegen Jesus deutlich über das Ziel hinaus geschossen. Als viele Jahrhunderte später der Talmud erstmals in die latainische Sprache übersetzt wurde, war das Entsetzen der Christen sehr groß.

Heute kann man sich streiten darüber, warum und wann es anfing, dass der Hass und die Gewalt nicht weniger damaliger "Christen" gegen ihre jüdischen Nachbarn und Mitmenschen zu schrecklichsten Verbrechen geführt haben.

Ich denke, was im Talmud über Jesus geschrieben steht, könnte ein Auslöser dessen gewesen sein - womit ich in keiner Weise Hass und Gewalt rechtfertige - ich verurteile sie zutiefst als Verbrechen an Gottes auserwähltem Volk. Es geht vielmehr um einen bescheidenen Versuch des Verstehens.


mulan2255  18.05.2024, 14:16

Ich will und kann nicht das ganze geballte, was du hier zusammengetragen hast, analysieren (das wäre schon ohne theologische Kenntnisse des Judentums nicht möglich), aber eines weiß ich mit Sicherheit: der Messias wird im Judentum keine göttliche Figur sein, sondern Mensch.

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mulan2255  19.05.2024, 02:41
@AdamundEvi

Das bekannte "Sh'ma Yisrael" ist eine Grundlehre, an der man nicht vorbeikann.

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an das alte Testament. Ich höre oft Freitags das sozusagen jüdische Wort zum Sabbat. Wenn ich es nicht wüsste, würde ich es kaum vom christ. Wort zum Sonntag unterscheiden können. Außer, dass halt nicht von Jesus die Rede ist, aber viel von Nächstenliebe. Mir gefällt das gut, was ich da höre,