Mein letzter Lehrer meinte, "Menschen sind zutiefst soziale Wesen", glaubt ihr das?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich fühle mich allein und deswegen macht das Leben keinen Sinn. Der Mensch braucht halt theoretisch jemanden

Wer ernsthaft bezweifelt, dass Menschen soziale Wesen sind, hat nicht begriffen, was damit gemeint ist.

Ein soziales Wesen ist ein Individuum, das in einer Gemeinschaft (Gesellschaft) lebt und mit dieser Gemeinschaft interagiert. Wie diese Interaktion aussieht, ob gemeinschaftsdienlich oder zerstörerisch, ist dabei völlig irrelevant. Beides und alles andere dazwischen sind Formen der gesellschaftlichen Interaktion.

Das Leben in Gemeinschaft ist das evolutionäre Überlebens- und Entwicklungskonzept der Spezies Mensch.

Die Frage ist nur, wie diese Gesellschaft organisiert ist. Also, ob eine Gesellschaft alle Menschen mitnimmt, Teilhabe bietet oder ob sie polarisiert, in Oben und Unten teilt, Menschen ausschließt. Eine nach letzteren Maßstäben organisierte Gesellschaft bringt natürlich besonders viele in ihren sozialen Beziehungen gestörte Persönlichkeiten hervor und krankt auch daran.

So sind die von Dir beschriebenen Menschen nichts anderes, als Beleg für das gesellschaftliche Wesen Mensch, weil sie zeigen, was passiert, wenn dem Menschen gesellschaftlich nicht Genüge getan wird.


Angulimala1610 
Fragesteller
 19.05.2024, 19:00

Was ist mit Misanthropie?

0
KurtSchuster  19.05.2024, 19:27
@Angulimala1610
Wie diese Interaktion aussieht, ob gemeinschaftsdienlich oder zerstörerisch, ist dabei völlig irrelevant. Beides und alles andere dazwischen sind Formen der gesellschaftlichen Interaktion.
1
Angulimala1610 
Fragesteller
 19.05.2024, 19:29
@KurtSchuster

Okay, dann wird einem ein soziales Verhalten also einfach aufgenötigt, weil man nicht alleine auf diesem Planeten lebt.

0
KurtSchuster  19.05.2024, 19:37
@Angulimala1610

Du verstehst etwas falsch. Sozialverhalten ist weder positiv noch negativ. Sozialverhalten ist alles Verhalten in Bezug auf andere Menschen. Der Mensch als soziales Wesen kann gar nicht anders als sich sozial zu Menschen zu verhalten.

Soziales Verhalten als ausschließlich sozial verträgliches Verhalten zu verstehen, ist ein großes Missverständnis.

Deinen Nachbarn in den Hintern zu treten wäre vielleicht sozial unverträglich. Es wäre aber soziales Verhalten.

1
Photon123  19.05.2024, 20:13

Was ist, wenn man es anders betrachtet? Die Gemeinschaft ist ja eine Zwangsvorgabe mehr oder weniger. Das muss ja nicht für jeden Menschen passend sein bzw die innere Haltung widerspiegeln. So wären diese Leute zwar soziale Wesen (unter Zwang), aber innerlich eigentlich nicht.

0
KurtSchuster  19.05.2024, 21:12
@Photon123
Die Gemeinschaft ist ja eine Zwangsvorgabe mehr oder weniger.

Atmen ist dann auch eine Zwangsvorgabe.

Menschliche Existenz ist ohne Gemeinschaft schlichtweg nicht möglich. Selbst Eremiten sind Produkte der Gesellschaft.

0

Natürlich gibt's Menschen aller Art, auch solche, die wirklich nicht (mehr) sozial sind. Oder die einfach einen Dachschden haben.

Aber in den allermeisten Fällen sind Menschen so, wie sie sind, weil sie sozial sind.

Alle deine Beispiel beweisen das:

- Glaubt ihr nicht, dass es Menschen gibt, denen andere Menschen eher auf die Nerven gehen und die ihre Ruhe wollen -> Die Leute, die ich kenne, die ihre Ruhe haben wollen, haben nichts gegen Menschen, solange diese ihnen eben nicht auf den S*ck gehen

- Oder die einfach keinen Bock mehr auf Menschen haben, weil sie Enttäuschungen erlebt haben -> Enttäuscht werden von anderen Menschen kann nur, wer sich von anderen Menschen etwas erhofft; wem Leute egal sind, der wird auch nicht enttäuscht (das ist aber nicht gesund, weil der Mensch eben sozial ist und Gefühle haben sollte)

- Also die sich das Sozial-sein irgendwie abgewöhnt haben und sie Menschen eher ankotzen? -> Sie ziehen sich zurück und sind wütend, das beweist, dass ihnen andere Leute wichtig sind

- Ich glaub auch wirklich, dass es genug Menschen gibt, die andere umbringen würden und das nur nicht tun, weil sie sonst in den Knast kommen würden -> Äh, nein, das ist nur ein Hirngespinst; Soldaten dürfen Feinde legal abknallen, aber die Mehrheit findet das absolut furchtbar!

- Wer fällt dir ein, auf welchen hättest du Bock? -> Leute, auf die ich keinen Bock habe, ignoriere ich und versuche sie zu vergessen; ich hätte viel zu viel Angst, dass ich den Rest meines Lebens Alpträume davon hätte, wie ich den widerwärtigsten Menschen, den ich mir vorstellen kann, erschiesse, ohne dass ich etwas dagegen tun könnte! 😵‍💫


Angulimala1610 
Fragesteller
 19.05.2024, 19:50

"aber die Mehrheit findet das absolut furchtbar!"

Glaub ich nicht, denk Mal darüber nach, wie viele für die Todesstrafe sind.

0
ZionsDaughter  19.05.2024, 19:58
@Angulimala1610

Na ja, die Leute sind ja nicht aus Spaß oder Asozialität für die Todesstrafe - sondern weil sie sie für sozial halten: Jemand, der sich asozial verhält (ein schlimmes Verbrechen begeht), wird aus der Gesellschaft für immer entfernt. Die Idee ist damit ja, Gerechtigkeit wieder herzustellen und die soziale Gemeinschaft langfristig zu erhalten, indem man unsoziale Störenfriede aussondert.

1
Angulimala1610 
Fragesteller
 19.05.2024, 21:27
@ZionsDaughter

Nicht einfach aussondert sondern umbringt - und wenn du dir die Marktplätze im Mittelalter anschaust, da waren Hinrichtungen ein Fest ...

0
ZionsDaughter  19.05.2024, 21:49
@Angulimala1610

Lies meinen Kommentar nochmal. Sehr vieles, was Menschen tun, lässt sich aus einem sozialen Blickwinkel verstehen. Ich gebe dir mal die Stichworte "Ingroup" und "Outgroup" mit. Selbst Hinrichtungen im Mittelalter waren darauf ausgelegt, die Ingroup der "Sozialen" zu stärken. Es wurde auf die Verbrecher gespuckt usw., weil sie als asozial gebrandmarkt wurden (mochte das nun stimmen oder nicht), um sich von ihnen zu distanzieren und sich mit der Ingroup - den "Sozialen" - zu solidarisieren. Das darf und sollte man zurecht kritisch betrachten und wir haben heute (glücklicherweise!) eine andere Vorstellung von Moral und Gerechtigkeit. Aber es bleibt im Kern, psychologisch betrachtet, trotzdem eine sozial gesteuerte Aktion mit dem Ziel, die Gemeinschaft gegen Verbrecher zu schützen und das Soziale zu erhalten. Dass wir das heute hinterfragen und größtenteils anders sehen, spricht noch einmal für die weitere Entwicklung unserer Sozialität. Wir werden uns auch vom heutigen Standpunkt noch weiter entwickeln und noch mehr Sozialität entwickeln. Das wohnt dem Menschen inne, weil die Evolution durch den Selektionsdruck dafür gesorgt hat, uns sozial zu verhalten. Darüber könnte ich stundenlang Vorträge halten und Belege anbringen ^^ . Aber das ist zu viel für eine Kommentarspalte.

0
ZionsDaughter  19.05.2024, 21:55
@Angulimala1610

Für manche mag das zutreffen, gerade weil es ihnen ein Gefühl von Gerechtigkeit gab. Das schließt aber meine Aussagen oben an keiner Stelle aus, sondern ergänzt sie nur. Ich finde es aber gut, dass du diese Praktiken hinterfragst. Behalt dir das bei.

0
Angulimala1610 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:47
@ZionsDaughter

Ich denke da wird schon eine ordentliche Portion Sadismus und Voyeurismus mitgeschwungen sein. Besonders, wenn man sich einfach daran ergötzt hat und von dem Fall gar nicht betroffen war. Oder glaubst du, damals, als man Christen den Löwen zum Fraß vorgeworfen hat, hatte das irgendwas mit dem Wunsch nach Gerechtigkeit zu tun, wenn die Zuschauer sich daran ergötzt haben?

0
ZionsDaughter  20.05.2024, 12:20
@Angulimala1610

Du missverstehst mein Argument. Es geht nicht um "entweder - oder". Es geht um ein "und". Menschen werden als hochsoziale Wesen geboren, das brauchen wir zum Überleben. Aber es gab und gibt Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte, die, basierend auf "Ingroup-Outgroup"-Denken, zu Verhalten führ(t)en, das, von außen gesehen, alles andere als sozial ist. Nichtsdestotrotz stärkt ein solches Verhalten die sozialen Bande zwischen den Menschen, weil sie sich einer Ingroup zurechnen. Auch wenn das nicht mehr das ist, was wir heute unter "sozial" verstehen (zum Glück!), ist das etwas, was auf sehr archaischen Strukturen beruht, um einen Gruppenzusammenhalt gegen äußere Einflüsse zu stärken. Um konkret bei deinem Beispiel zu bleiben: Wenn eine neue Religion aufstrebt und droht, alte Machtstrukturen auszuhebeln, gefährdet dies die bestehende Gemeinschaft. Zu aller erst gefährdet es die bestehenden Machthaber. Diese haben die Christen auf brutalste Weise bestraft, um sie kleinzuhalten. Die Menschen sind auf diesen Zug aufgesprungen, jedenfalls viele. Damit haben sie sich FÜR ihre soziale Gruppe entschieden und GEGEN das, was als Bedrohung der sozialen Gruppe ausgesehen hat (und vielleicht auch realistisch war). Das äußert sich dann natürlich auf emotionaler Ebene mitunter in Sadismus gegenüber dieser bestimmten Gruppe. Sie haben sich damit unbewusst - auf Kosten der Christen - für eine soziale Stärkung ihrer Gemeinschaft eingesetzt.
Versteht du? Es ist beides zur gleichen Zeit. Für die Ingroup ist das soziales Verhalten. Für die Outgroup ist es unsoziales, feindseliges, brutales Verhalten. Es ist eine Frage des Blickwinkels. Paradoxerweise kann man sagen, wenn der Mensch nicht sozial WÄRE, hätte es solche Veranstaltungen nie gegeben. Die Menschen hätten aneinander gar kein Interesse, würden keine Gruppenverbände bilden, keine Städte bauen, keine Wissenschaft auf die Reihe bekommen, keine Sozialsysteme aufbauen, ja, nicht einmal Kriege führen! Das alles ist Ausdruck dessen, dass der Mensch sozial ist - nur manchmal eben auf eine recht... sagen wir, "primitive" Art und Weise, die durchaus noch moralisch wachsen darf. Moral ist nicht zwangsläufig Sozialität und umgekehrt ist auch Sozialität nicht immer automatisch moralisch. Siehe beispielsweise Gruppenzwang bei Mobbinggeschichten.
Ich hoffe, ich konnte es jetzt besser erklären. Du darfst moralisches Verhalten nicht automatisch gleichsetzen mit sozialem Verhalten und umgekehrt.

0
ZionsDaughter  20.05.2024, 13:43
@Angulimala1610

Genau. Du hast es verstanden. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Die eine davon ist nicht unbedingt die moralische.

0

Es gibt Familien, es gibt Staaten, es gibt eine Zivilgesellschaft und es gibt in jedem Staat ein mehr oder weniger ausgeprägtes Solidaritätsprinzip. Der Mensch ist ein eindeutig soziales Wesen, wo die Männer nicht nur zur Paarungszeit bei den Frauen sind, sondern länger bleiben (Ausnahmen gibt es natürlich).

Katzen, Katzenartige, außer Löwen, sind Einzelgänger, Hunde und Wölfe eher Rudeltiere. Daher gelten die Hunde eher als soziale Tiere. Affen sind es auch, aber auch da gibt es Ärger und Streit. Sie sind dem Menschen halt ähnlich.

Die Aussage stimmt insofern, als wir die Anlagen zum Sozialverhalten evolutionär bedingt besitzen.

Menschen haben im Laufe der Evolution als Gruppe, die einander hilft und beisteht, deutlich besser funktioniert und sicherer überlebt, als es Einzelgängern gelingen konnte, denn unsere Körper besitzen weder genug Kraft noch wirksame natürliche Waffen (Gehörn, Reißzähne, Krallen), um uns effektiv alleine zu wehren.

Das bedeutet aber nicht, dass JEDER Mensch zwangsläufig zutiefst sozial wäre. Es gibt selbst unter wilden Tieren mit vergleichbaren Fähigkeiten solche Individuen, die zwar von der Hilfsbereitschaft anderer profitieren, selbst aber niemandem helfen und egoistisch handeln.

Ebenso kann man Menschen als vernunftbegabt bezeichnen, obwohl es unter ihnen genug Idioten gibt.